Auf Umwegen nach Wien
Oktober 2019
Meinen Termin Mitte Oktober in Wien möchte ich zu einem kleinen Urlaub im Herbst nutzen. Meine Route soll mich am Bodensee entlang nach Lindau führen, über die Deutsche Alpenstrasse bis zum Königsee und dann über Salzburg nach Wien. Dabei steht natürlich Schloß Neuschwanstein, ein paar schöne Seen, bayerische Gemütlichkeit und ein paar herbstliche Wanderungen auf meinem Plan.
Lindau am Bodensee
Der Bodensee begrüßt mich mit mildem Herbstwetter und Sonnenschein. Eine schöne Radtour am See entlang führt mich zur Insel Mainau. Da kann ich gemütlich am See sitzen und abends den Sonnenuntergang bewundern.
Am nächsten Tag sieht das Wetter leider ganz anders aus. Es wird gar nicht richtig hell, alles ist grau in grau, dunkle Wolken lassen die Berge verschwinden, die Temperatur ist auf 6 Grad gefallen. Der Wind ist so stark, das ich den Schirm kaum halten kann und mir der eiskalte Regen ins Gesicht peitscht. Leider soll das Wetter auch in den nächsten Tagen kein bisschen besser werden.
Die Pfahlbauten aus der Steinzeit in Unteruhldingen am Bodensee möchte ich mir aber unbedingt ansehen und fahre trotz des schlechten Wetters in das Freilichtmuseum. Sie gehören zum UNESCO Weltkulturerbe
Sehr spannend, die nach Originalfunden aufgebauten Pfahlhäuser. Was müssen die Menschen in früheren Zeiten gefroren haben. Durch die aus Weidenzweigen geflochtenen Wände pfeift der Wind, es ist sehr kalt und vor den Häusern zusätzlich sehr naß. Es beeindruckt mich, wie sich die damaligen Menschen vor mehr als 3000 Jahren mit einfachen Mitteln vor Hochwasser, Feinden und wilden Tieren geschützt haben.
Ich muss allerdings weder in diesen Häusern wohnen, noch das Wetter aushalten! Kurz entschlossen ändere ich meine Tour. In Südtirol, so sagt das Internet, soll die Sonne scheinen und die Temperaturen noch im spätsommerlichen Wohlfühlbereich bei knapp unter 20 Grad liegen. Mein Wohnmobil ist schnell abfahrbereit und 280 km sind keine sehr weite Strecke. Vorbei geht es an stolzen Burgen, herbstlichem Wald und dem Reschensee. In den 1950-er Jahren wurde das Wasser der Etsch zur Energiegewinnung gestaut, dabei wurde das Dorf Graun mit seiner im 14. Jahrhundert gebauten Pfarrkirche St. Katharina geflutet. Diese Touristenattraktion hat also einen sehr traurigen Hintergrund.
Glurns
Auf dem Weg nach Meran ist es zwar bewölkt, aber trocken und so entscheide ich mich spontan, in Glurns zu bleiben, der kleinsten Stadt Südtirols. Hier möchte ich ein bisschen wandern und Rad fahren. Ich finde einen kleinen, direkt am Radweg gelegenen Stellplatz. Von hier aus erreiche ich den schönen Ort mit seinen Laubengängen und teils aus dem 16. Jahrhundert stammenden Häusern. Der Ort ist komplett von einer alten Stadtmauer umgeben, die Etsch fließt entlang, das weite Tal lädt zu Radtouren ein. Gut, wer wie ich ein E-bike besitzt, es geht an einigen Steigungen ziemlich steil bergauf.
Meran
Meran – was ich als Rentner, unabhängig von Ferienzeiten, nicht bedacht habe: In den Herbstferien sind viele Urlauber gerade in Meran unterwegs, um den ‚goldenen Oktober‘ zu genießen. In Meran finde ich keinen freien Stellplatz mehr, so muss ich ins Umland ausweichen. Auf einem Bauernhof in der Nähe, mit wunderbarem Blick über die Stadt, finde ich noch einen Stellplatz. Auf einer Wiese zwischen dem Wohnhaus und den Stallungen stehen mit mir noch fünf weitere Wohnmobile. Die ehemaligen Stallungen sind zu Unterkünften umgebaut, es ist Zeit für die Apfelernte und so wohnen hier mindestens 15 Erntehelfer. Früher gab es hier mal Ferienwohnungen und auch eine Gastwirtschaft, aber irgendwann sind die Touristen ausgeblieben. Heute kocht hier die Bäuerin die Mahlzeiten für die Apfelpflücker, die die roten, reifen Bioäpfel pflücken. Wo ich auch hinsehe, finde ich Bienenstöcke, Hinweise auf die Apfel-Bioplantagen, Esskastanien und sehr umweltbewusste Landwirtschaft. Das schließt den Maschineneinsatz nicht aus, denn die Apfelbäume sind wie Weinstöcke beschnitten und gebunden. So können an den teils steilen Hängen Traktoren durch die Baumreihen fahren.
Zuerst genieße ich allerdings den Tag und das warme Wetter, bummele durch die spätsommerliche Stadt und mache hier und da eine kleine Pause mit Kaffee, einem Spritz oder auch einem heimischen Rotwein.
Vom Stellplatz aus wandere ich durch die Weinberge und Apfelplantagen, sammele unterwegs Esskastanien die ich Abends rösten werde und erreiche
die Gärten von Schloss Trauttmansdorff. Besonders schön sind die Themengärten, die Skulpturen im ´Liebesgarten‘, der begehbarer Bienenstock, das Glashaus mit seinen verschiedenen Klimazonen und der ´Zaubergartenbereich‘ mit seinen teils unheimlichen Holzskulpturen.
Spittal an der Drau
Nach ein paar schönen Tagen fahre ich weiter nach Kärnten, nach Spittal an der Drau. Während in Meran Stellplätze und Hotels überfüllt waren, haben sich die Kärntner Wirte bereits auf Winter eingestellt – kein Wunder, die Höhenlagen sind bereits mit Schnee bedeckt, Gasthäuser und Stellplätze sind geschlossen. Einen letzten geöffneten Stellplatz mit zwei einsamen Wohnmobilen finde ich direkt an der Drau. Morgens ist die Sicht auf die Berge wunderschön, aber es ist eisig kalt! Gut das ich eine vernünftige Heizung habe.
Am nächsten Tag starte zu einer Radtour rund um den Millstätter See. Spittal ist ein kleines Örtchen, in dem einzig das Schloss Porcia besichtigenswert ist. Hier habe ich eine sehr schöne Ausstellung mit modernen Malereien und Fotografien in einer Galerie im Keller des Schlosses entdeckt.
Weiter geht es nach Millstatt. Der Radweg am See entlang bietet immer wieder schöne Aussichten.
Im ehemaligen Kloster Stift Millstatt sind die Kellerräume auch der Kunst gewidmet. Nicht nur der malerische Innenhof, das barocke Gebäude und der Tonnengewölbekeller sind sehenswert, auch die ausgestellten Objekte moderner Kunst beeindrucken mich.
Wien
Noch einmal übernachte ich an der Drau, dann geht es weiter nach Wien. Auf einem Stellplatz, etwas Außerhalb im 23. Bezirk, finde ich noch einen der wenigen freien Plätze. Die U-Bahn ist nur 5 Gehminuten entfernt und fährt alle 6 Minuten für 1,50€ (Seniorenpreis) pro Richtung, egal wie weit! In 20 Minuten bin ich in der Innenstadt.
Morgens starte ich meinen ersten Besuch auf dem Naschmarkt. Mich erwartet samstags ein riesiger Trödelmarkt, endlose ‚Strassen‘ mit allen Spezialitäten, die das Herz begehrt und Lokale mit ‚Sturm‘-Ausschank in rot und weiß – das ist der neue Süße, den ich natürlich auch probiere.
An jedem Stand gibt es kleine Kostproben, Oliven in jeder gewünschten Farbe, gebrannte Mandeln und verknoteten Käse.
… oder ganz exotische Naschereien wie Würmer und Käfer.
Ich erlaufe mir eine Stadt am Liebsten zu Fuß, das ist für den Innenstadtbereich auch gut zu schaffen und schon bald stehe ich vor dem Stephansdom. Der Papst hat scheinbar kein iPhone, er macht am Dom Werbung für Samsung 😉
Hier sind auch die Fiaker, die zu einer Stadtrundfahrt mit der Kutsche einladen. Allerdings sind die Preise recht sportlich, eine halbe Stunde kostet 80€!
Nur ein paar Schritte vom Dom entfernt findet man sie noch, die Wiener Gemütlichkeit.
Von den vielen, vielen Sehenswürdigkeiten, die Wien bietet, habe ich mir zuerst die Nationalbibliothek angesehen. Der Saal mit den tausenden alten Bücher ist absolut beeindruckend.
Kuriositäten auf meinem Spaziergang durch die Innenstadt: Ich habe nicht nachgezählt, aber angeblich gibt es hier 127 verschiedene Sorten Marmelade
So edel, wie die Lipizzaner in der Hofreitschule untergebracht sind, wünscht man sich vielleicht seine eigene Wohnung – den Pferden ist’s egal, sie hinterlassen auch hier ihre Spuren.
Auf meiner Besichtigungstour ein Muss: die Hofburg. Hinter einem der vielen Fenster hatte Sissy angeblich einen Sportraum, in dem sie turnte – zum Entsetzen des Königshauses und zur Freude der ganzen Stadt konnte man ihr von Draußen dabei zuschauen.
Sterben wird heutzutage verdrängt, früher waren die Särge der Bestatteten ein Zeichen ihres gesellschaftlichen Standes. Deshalb nehme ich an einer Führung durch die Katakomben der Kirche St. Michael teil. Die Wohlhabenden ruhen in kunstvoll bemalten und verzierten Särgen, die sich über Jahrhunderte in der Gruft erhalten haben. Die Überreste der Normalsterblichen sind achtlos in einer Ecke zu einem Knochen- und Schädelberg aufgetürmt.
Nach so viel Sterben zieht es mich an die frische Luft und ich fahre zum Zentralfriedhof. Ein absolutes Muss in dieser Stadt wo ständig über den Tod geredet und gesungen wird. Eine schöne, morbide Stimmung, vorbei an den alten, verfallenen jüdischen Gräbern bis hin zu den neuen, teilweise recht skurrilen Gräbern von Prominenten.
Abends besuche ich die Kirche St. Peter, in der das Classic Ensemble Vienna Werke von Mozart, Beethoven, Bach und Vivaldi auf ihren historischen Instrumenten spielen – sehr schön.
Der Prater, einst ein Wahrzeichen von Wien, heute eine in die Jahre gekommene Kirmes.
Und dann gönne ich mir natürlich ein Obsttörtchen und eine Wiener Melange in der K.u.K.Hofzuckerbäckerei Demel. Hier kann man den Konditor*innen bei der Arbeit zuschauen.
Etwas außerhalb, in der Nähe des unterirdischen Kanallabyrinth aus dem Kultfilm ‚Der dritte Mann‘ aus dem Jahre 1949, steht die Karlskirche mit einem außergewöhnlichen Kunstobjekt: In dem wunderschön bemalten Innenraum schweben riesige, teils verspiegelte Kugeln aus Folie, durch vom Sonnenlicht erwärmter Luft getragen, mitten im Kirchenschiff. Skurril ist allerdings der stählerne Fahrstuhl mitten in der Kirche, mit dem man bis in die Kuppel zu einer Aussichtsplattform fahren kann.
An der schönen blauen Donau … weder blau noch spektakulär.
Dann geht’s vom Hauptbahnhof mit der Tram nach Grinzing. Ich bummle durch die schönen Gassen, genieße die Sonne und laufe ein Stück in die umliegenden Weinberge. Nachmittags sitze ich erst in einer der vielen kleinen Weinschenken, aber sobald die Sonne untergeht, wird es doch zu kalt. Da esse ich mein Wiener Schnitzel lieber drinnen.
Mit geschätzt 1000 anderen Touristen nehme ich an einer Führung durch Schloß Schönbrunn teil. Dabei wurden auch lustige Anekdoten erzählt, zum Beispiel, dass bei einer Hochzeit eines der Kinder Königin Elisabeths die Familie um den gedeckten Hochzeitstisch herum saß, die geladenen Gäste aber ringsherum stehend nur zuschauen durften. Und dass heute immer noch die gleichen K.u.K. Hoflieferanten für die Renovierung und Erneuerung der Einrichtung beauftragt werden.
Richtig gut haben mir die Tropenhäuser gefallen, in denen im Auftrag des Königs Pflanzen und Bäume aus aller Welt ihren Platz gefunden haben.
Eine Woche Wiener Schmäh ist genug und nach insgesamt mehr als drei Wochen freue ich mich auch wieder auf Zuhause.